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Mit der Einreichung der Motion «Für ein zeitgemässes Erbrecht» durch Ständerat Felix Gutzwiller fiel am 17. Juni 2010 der Startschuss für die Revision des Erbrechts.
24. Dezember 2023

Das neue Erbrecht: Was hat sich per 1. Januar 2023 geändert?

Mit der Einreichung der Motion «Für ein zeitgemässes Erbrecht» durch Ständerat Felix Gutzwiller fiel am 17. Juni 2010 der Startschuss für die Revision des Erbrechts. Ziel war es, das über 100-jährige Erbrecht, das seit seinen Ursprüngen einzig punktuelle Änderungen erfahren hatte, an die veränderten Lebensrealitäten und Gerechtigkeitsgedanken anzupassen. Gut zwölfeinhalb Jahre später ist das neue Erbrecht nun in Kraft getreten. Doch was ändert sich? Und was ist, wenn ich bereits ein Testament verfasst oder einen Erbvertrag abgeschlossen habe?

Im Nachfolgenden verschaffen wir Ihnen einen kurzen Überblick über die seit dem 1. Januar 2023 geltenden Änderungen. Bei Bedarf beraten Sie unsere Anwälte und Notare auch gerne persönlich.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermassen für alle Geschlechter.

1. Reduktion der Pflichtteile

Pflichtteile sind Bruchteile der gesetzlichen Erbquote, die gewissen Erben von Gesetzes wegen zwingend zustehen. Sie sichern den Pflichtteilserben eine Mindestbeteiligung am Nachlass, können dadurch die individuellen Gestaltungswünsche des Erblassers allerdings erheblich einschränken. Um die Verfügungsfreiheit des Erblassers zu erhöhen, sieht das neue Erbrecht daher eine Reduktion der Pflichtteile vor:

Während Nachkommen bisher ¾ des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil zustand, steht ihnen heute nur noch die Hälfte zu. Der Pflichtteil des Ehepartners sowie des eingetragenen Partners ist unverändert bei ½ geblieben, derjenige der Eltern (bisher ebenfalls ½) ist komplett entfallen. Die Eltern können also seit Neustem vom gesetzlichen Erbrecht ausgeschlossen werden.

Durch die Reduktion der Pflichtteile und der damit verbundenen Vergrösserung der sog. verfügbaren Quote wird den Erblassern ermöglicht, über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei zu verfügen. Beispielsweise können so Konkubinatspartner, welche auch mit Inkrafttreten der Revision weiterhin nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, Stiefkinder oder gemeinnützige Institutionen grössere Zuwendungen erfahren als bisher.

2. Erhöhung der verfügbaren Quote bei Nutzniessung

Bereits das alte Recht verschaffte dem künftigen Erblasser die Möglichkeit, dem überlebenden Ehegatten eine Nutzniessung am ganzen den gemeinsamen Nachkommen zufallenden Teil der Erbschaft zuzuwenden.

In der Praxis wird eine Nutzniessung allem voran dann errichtet, wenn Wohneigentum Teil des Nachlasses bildet. Da pflichtteilsgeschützte Erben Anspruch auf ihren Pflichtteil haben, können diese auf die Auszahlung ihres Erbteils beharren. Ist der überlebende Ehegatte nicht in der Lage, die Pflichtteilserben auszubezahlen, muss die Wohnung unweigerlich verkauft werden. Um zu verhindern, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Erblassers das traute Heim zu verlassen hat, kann es in derart gelagerten Situationen sinnvoll sein, den überlebenden Ehegatten mit einer Nutzniessung am Nachlass abzusichern.

Unter dem alten Recht betrug die freie Quote neben der Nutzniessung ¼ des Nachlasses. Das heisst, dem überlebenden Ehegatten konnte bisher ¼ des Nachlassvermögens zu Eigentum und die verbleibenden ¾ zur lebenslänglichen Nutzniessung zugewendet werden. Den gemeinsamen Nachkommen verblieb vorerst einzig das nackte (d.h. nutzniessungsbelastete) Eigentum an diesen ¾ des Nachlasses, im Gegenzug erhielten sie allerdings mehr als ihren Pflichtteil.

In Anpassung an die neugefassten Pflichtteile beträgt die frei verfügbare Quote neben der Nutzniessung nach neuem Recht nicht mehr nur ¼, sondern ½ des Nachlasses. Damit besteht also heute die Möglichkeit, dem überlebenden Ehegatten ganze ½ des Nachlasses zu vollem Eigentum und die restlichen ½ zur Nutzniessung zuzuweisen.

Zwar können eingetragene Partner das Kind des anderen Partners seit dem 1. Januar 2018 adoptieren. Eine Anpassung des Wortlauts der erbrechtlichen Bestimmung über die Nutzniessung unterblieb jedoch, weshalb es eingetragenen Partner weiterhin verwehrt blieb, dem anderen Partner eine Nutzniessung einzuräumen. Mit Inkrafttreten der Revision am 1. Januar 2023 hat sich dies geändert. Allerdings ist zu beachten, dass die Nutzniessung auch hier nur zulasten der gemeinsamen Nachkommen eingeräumt werden kann.

3. Verlust des Pflichtteilsanspruchs im Scheidungsverfahren

Nach dem bisherigen Recht hatten Ehegatten bzw. eingetragene Partner so lange ein gesetzliches Erbrecht zueinander, bis ein rechtskräftiges Scheidungs- bzw. Auflösungsurteil vorlag. In gewissen Fällen hatte dies zur Folge, dass Scheidungsverfahren absichtlich in die Länge gezogen wurden. Denn starb ein Ehegatte oder eingetragener Partner während eines Scheidungs- bzw. Auflösungsverfahrens bevor das Urteil rechtskräftig geworden war, erbte der andere Ehegatte bzw. eingetragene Partner dennoch.

Um dieser Problematik zu begegnen, sieht das revidierte Erbrecht eine zusätzliche Bestimmung vor: Seit Neuem entfällt der Pflichtteilsschutz des überlebenden Ehegatten nicht erst mit Rechtskraft des Urteils, sondern bereits mit Rechtshängigkeit eines Scheidungsverfahrens. Vorausgesetzt wird, dass das Scheidungsverfahren entweder auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt wurde, oder, dass die Ehegatten beim Tod des Erblassers mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben.

Beachtet werden muss, dass der überlebende Ehegatte nur seine Pflichtteilsberechtigung verliert. Sein gesetzlicher Erbanspruch bleibt nach wie vor bestehen. Soll dem überlebenden Ehegatten die Erbenstellung ganz entzogen werden, muss der Erblasser aktiv werden und eine Verfügung von Todes wegen treffen. Unterlässt er dies, behält der überlebende Ehegatte sein gesetzliches Erbrecht auch unter dem neuen Recht.

4. Einschränkung der Verfügungsfreiheit nach Abschluss eines Erbvertrags

Unter dem alten Recht konnte ein künftiger Erblasser trotz Abschluss eines Erbvertrags grundsätzlich frei über sein Vermögen verfügen und somit auch nach Belieben Schenkungen ausrichten, sofern der Erbvertrag nichts Gegenteiliges vorsah. Eine Anfechtung war gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur dann möglich, wenn die Schenkung mit der Absicht erfolgte, den Vertragspartner zu schädigen.

Unter neuem Recht wird diese grundsätzliche Schenkungsfreiheit in ein grundsätzliches Schenkungsverbot umgewandelt: Wird im Erbvertrag nicht ausdrücklich das Gegenteil vorgesehen, sind Verfügungen von Todes wegen und Zuwendungen unter Lebenden anfechtbar, sofern sie mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind. Der Nachweis einer Schädigungsabsicht entfällt.

Übliche Gelegenheitsgeschenke bleiben vom grundsätzlichen Schenkungsverbot unberührt und sind auch unter dem neuen Recht weiterhin zulässig.

5. Gebundene Selbstvorsorge (Säule 3a)

Bei der Frage, wie Leistungen aus der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) erbrechtlich zu behandeln sind, bestand aufgrund der verschiedenen Vorsorgeformen (Versicherung oder Bank) bisher eine gewisse Rechtsunsicherheit. Mit der Revision wurde nun klargestellt, dass mit sämtlichen Leistungen der gebundenen Selbstvorsorge unabhängig von ihrer Vorsorgeform gleich verfahren wird. Den Begünstigten steht ein eigener und direkter Anspruch gegenüber der Bankstiftung oder Versicherungseinrichtung zu. Die Leistungen der gebunden Selbstvorsorge fallen also nicht in den Nachlass, sie sind aber bei der Pflichtteilsberechnung im Umfang ihres Rückkaufswerts bzw. des entsprechenden Kapitals zu berücksichtigen.

6. Übergangsbestimmungen

Der massgebliche Anknüpfungspunkt für das neue Erbrecht bildet der Zeitpunkt des Todes des Erblassers (Todestagprinzip). Ist dieser vor dem Inkrafttreten der Revision verstorben, so gilt das alte Recht, stirbt er nach Inkrafttreten der Revision, so gelangt das neue Recht zur Anwendung. Zu beachten ist, dass dies unabhängig davon gilt, ob die gesetzliche Erbfolge eintritt oder ob und zu welchem Zeitpunkt ein Testament erstellt bzw. ein Erbvertrag abgeschlossen wurde. Damit wurde versucht, eine einfache Regelung zu erreichen, sodass die Rechtsfolgen im Todesfall voraussehbar sind und Auslegungsfragen möglichst vermieden werden können.

7. Handlungsbedarf im Einzelfall?

In Anbetracht des per 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Erbrechts empfiehlt es sich, bestehende Testamente und Eheverträge zu überprüfen und allenfalls einer Anpassung zu unterziehen. Dies dürfte insbesondere für Personen interessant sein, die von der erhöhten Verfügungsfreiheit, welche die Revision den Erblassern eingeräumt hat, Gebrauch machen möchten.

Damit der Wille des Erblassers auch tatsächlich zum Tragen kommt und Auslegungsfragen verhindert werden können, kann es zudem sinnvoll sein, Formulierungen in bestehenden Testamenten oder Erbverträgen anzupassen.

Sind Sie unsicher, ob auch in Ihrem Fall Handlungsbedarf besteht, haben Sie Fragen oder möchten Sie sich beraten lassen? – Unsere Anwälte und Notare stehen Ihnen gerne zur Verfügung.

Autoren: Anja Bonetti und Cyrill Lauper Luzern, den 24.01.2023

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